Was mir immer wieder auffällt, wenn ich mir im Internet oder im Buchladen Aikidō-relevante Texte zu Gemüte führe, sind die oft eklatanten Missverständnisse, um nicht zu sagen Fehler, die bei der Übersetzung und Interpretation japanischer Termini zu Tage treten. Mein „Lieblings-“fehler, den ich immer wieder (Immer? Nicht immer. Aber immer öfter!) zu Gesicht bekomme, ist die Übersetzung des „ai“ in Aikidō mit „Liebe“!
Nun würde es vollkommen reichen, ein japanisches Wörterbuch zu öffnen oder, falls man gerade keins zur Hand hat, im Internet eines wie das sehr gute www.wadoku.de aufzusuchen, um herauszufinden, dass für das Schriftzeichen „ai“ 合 nirgends die Bedeutung „Liebe“ zu finden ist, sondern dass es sich um die Substantivierung des Verbs „au“ mit Bedeutungen wie „eine Einheit bilden“, „deckungsgleich sein“, „zusammenpassen“ und „harmonieren“ handelt. Sogar die oft gefundene Übersetzung mit „Harmonie“ ist daher nur im übertragenen Sinne möglich. Woher aber kommt dann die „Liebe“?
Dabei handelt es sich um ein Wortspiel der Homophone „ai“ 合 und „ai“ 愛, wobei es sich beim zweiten Zeichen in der Tat um die gesuchte „Liebe“ handelt. (Auf solchen Wortspielen basiert übrigens ein großer Teil des japanischen Humors.)
Nun möchte ich natürlich dem Schöpfer des Aikidō, Ueshiba Morihei Ō-sensei, auf keinen Fall widersprechen, wenn er die beiden „ai“ durchaus einander gleichsetzt. Aber wenn man sich über die Herkunft einer solchen bewussten Analogie nicht im Klaren ist, verliert man die Möglichkeit des klaren, eindeutigen Verständnisses.
Natürlich gibt es sprachwissenschaftliche Theorien, die zwischenmenschliches Verständnis über die Sprache zu einem Ding der Unmöglichkeit deklarieren. (Wie einsam müssen Leute sein, die so etwas behaupten!) Aber hier halte ich es wie mit dem Geld: Allein macht es nicht glücklich, aber es hilft ungemein. Das Studium von (Fremd-) Sprachen führt nicht unbedingt zum sofortigen gegenseitigen Verständnis, aber ...! Und was kann man schon von einem Lehrer lernen, dessen Sprache man nicht versteht?
Ein besseres, genaueres Verständnis der Terminologie hilft meines Erachtens nicht nur beim Vokabellernen vor Prüfungen, sondern führt auch zu einem bewussteren und darum gehaltreicheren Training.
Aus diesem Grund habe ich ein kleines Aikidō-Wörterbuch zusammengestellt, das ich hiermit der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte. Ich bitte zu beachten, dass es sich dabei um ein fortlaufendes Projekt handelt und ständig ergänzt werden soll.
Auch dafür wäre ich für Hinweise auf Fehler und Vorschläge für Verbesserungen und neue Einträge sehr dankbar.
(Autor: Max Seinsch)
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