Herzlichen Dank an Herrn Schwickerath für das freundliche Interview.
Many thanks to Mr. Schwickerath for the kind interview.
好意的なインタビューをくださったシュヴィケラートさんに感謝です。
Aikidō: Für die physisch und psychisch Herausgeforderten!
Aikidō: For the physically and mentally challenged!
合気道:肉体的にも精神的にも挑みたい人のために!
Bleib ruhig und übe Aikidō! (Oder: Du hast heute (noch) niemanden erwürgt, also ist dies ein guter Tag.)
Keep Calm and Practice Aikidō! (Or: Today you haven't strangled anybody (yet), so this is a good day.)
平常心を保ち、合気道の稽古をしよう! (あるいは:今日は(まだ)誰も絞めてないから、いい一日だ。)
Aikidō: Reicht dir die Hand!
Aikidō: Reaches Out!
合気道は手を差し伸べる!
Ein interessanter Artikel zu Ego und Kritik im Dôjô!
An interesting article concerning Ego and criticism in the dôjô!
道場でのエゴと批判について面白い記事!
Aikidō: Leben und leben lassen!
Aikidō: To live and let live!
合気道:生きること、生かせること!
Aikidō ist ein Kontaktsport! (Und nicht nur, weil man mit vielen netten Leuten in Kontakt kommt.)
Aikidō is a contact sport! (And not only, because you come in contact with lots of nice people.)
合気道はコンタクトスポーツです! (多くの素敵な人に触れ合うからだけではないですよ。)
Aikidō ... stellt deine Welt auf den Kopf!
Aikidō ... turns your world upside down!
合気道は・・・世界観を引っ繰り返してしまう!
In diesem Video über Kōdōkan Selbstverteidigung lassen sich sehr schön die gemeinsamen Wurzeln von Jūdō und Aikidō erkennen!
In this Video on Kōdōkan self defense the common roots of Aikidō and Jūdō become very obvious!
この講道館護身術の動画で合気道と柔道の共通の根源が明らかになる!
Als ich mir zum Ziel setzte, Aikidōlehrer mit meinem eigenen Dōjō zu werden, hätte ich nie gedacht, dass ich die meiste Zeit als glorifizierter Hausmeister verbringen würde!
When aspiring to become an Aikidō teacher with my own dōjō, I never imagined to spend most of my time as a glorified janitor!
合気道の先生になり、道場の開設を目指した時は、大抵の時間は美化された管理人さんとして過ごすと思ってもみなかった!
Das Ei, aus dem ein Meister schlüpft!
The egg whence a master will hedge!
達人の卵!
Aikidōkan Berlin, ein Ort um Grenzen zu überwinden!
Aikidōkan Berlin, a place to overcome limits!
ベルリン合気道館とは、限界を乗り越える場所!
Neues Video von der ersten öffentlichen Vorführung des Aikidōkan Berlins bei der Neujahrsfeier der Zentralen Schule für Japanische Spracherziehung. Besonders die Kinder haben sich ins Zeug gelegt.
New video of Aikidōkan Berlin's first public demonstration at the New Year's party of the Central School of Japanese Language Education.Especially the children did a good job.
新しいビデオ搭載:中央学園日本語補習校の小正月会でベルリン合気道館初の演武を行いました。特に子供達が頑張りました。
Am 14. Dezember haben drei Kinder des Aikidōkan Berlin ihre Prüfung zum 9. kyū, drei Kinder zum 8. kyū, drei Erwachsene zum 5. kyū und 2 Erwachsene zum 4. kyū bestanden. Herzlichen Glückwunsch!
On the 14th of December three children of Aikidōkan Berlin passed their gradings for 9. kyū, three for 8. kyū, three adults for 5. kyū and another two for 4. kyū. Congratulations!
12月14日の審査ではベルリン合気道館の子供3人は9級、3人は8級、大人3人は5級、それと2人は4級の審査に合格しました。おめでとうございます!
Im Rahmen meines Interesses an Selbstverteidigung habe ich vor ein paar Jahren ein Buch mit dem vielversprechenden Titel „Das Nichtkampf-Prinzip: Konfliktbewältigung, De-Eskalation, Selbstverteidigung“ von Rüdiger Lenz gelesen, von dem ich allerdings eher enttäuscht war. Nachdem ich allerdings gestern auf Amazon gesehen habe, dass das Buch in sechs Beurteilungen die volle Punktzahl von fünf Sternen erhalten hatte, konnte ich nicht an mich halten, selbst eine Rezension zu schreiben. Hier die etwas überarbeitete Fassung:
Die Absicht des Buches, alltägliche Konflikte und gesellschaftliche Gewalt zu hinterfragen und andere Lösungsansätze vorzuschlagen, kann nicht genug gelobt werden. Immer noch werben zu viele Kampfsportschulen und Selbstverteidigungskurse mit der Vorstellung, dass, wer zu kämpfen lernt, sich auch vor Gewalt schützen kann. Dies beruht natürlich auf einem Missverständnis: Nur wer sich anbahnende Konflikte frühzeitig erkennt und vermeidet bzw. potentiell gewaltsame Situationen deeskaliert oder, bevor es zu Schlägen kommt, rechtzeitig wegläuft, d.h. nur wer „nicht kämpft“, ist vor Gewalt sicher! Selbstverteidigung ist nicht gleichbedeutend mit kämpfen. Selbstverteidigung bedeutet in erster Linie die Vermeidung von Auseinandersetzungen. Weil die Zahl der Bücher, die sich auf diese wichtige Thematik konzentrieren, verschwindend gering ist, gebe ich diesem Buch erst mal einen Stern.
Leider hätte man die knapp 200 Seiten auf die ersten ein, zwei Kapitel zusammenfassen können, weil der Autor eigentlich dieselbe Problemstellung durchgehend immer nur wiederkäut (und das noch dazu in einem leserunfreundlichen, pseudo-soziologischen Jargon). Nämlich die ausufernde Gewaltbereitschaft in der heutigen Gesellschaft (wofür keine Statistiken gegeben werden), und der Bedarf eines systematischen Lösungsansatzes, der die Gewalt nicht durch Gegengewalt eskaliert, sondern im Gegenteil Konflikte von vornherein entschärft und es gar nicht erst zur Gewalt kommen lässt. Wie gesagt, soweit so gut. Aber bitte nicht über 200 Seiten hinweg immer und immer wieder. Menschen, die ein solches Buch lesen, sollten es auch nach 20 Seiten verstanden haben.
Konkrete Methoden zur Deeskalierung konfliktschwangerer Situationen bleibt der Autor nämlich schuldig. Jedesmal, wenn anhand kleiner Beispiele im Leser die Hoffnung geweckt wird, dass der Text sich endlich auf konkrete und vor allem systematische Strategien, Taktiken und Techniken zur gewaltlosen Konfliktlösung einlässt, wird diese Hoffnung enttäuscht. Stattdessen wird die allgemeine Problematik wiederholt und der Leser auf ein Folgebuch vertröstet.
Darüber hinaus sind auch einige der Beispiele eher zweifelhafter Natur, besonders eine Situation an einer Tankstelle (Seiten 139-140), wo ein Schüler des Autors dumm angemacht wird. Nicht nur, dass der Schüler den Konflikt eskaliert, um seines Autos willen seine leibliche Unversehrtheit aufs Spiel setzt und es fast zu Handgreiflichkeiten hätte kommen lassen. Nein, er bringt darüber hinaus auch noch die unbeteiligte Tankwartin in Gefahr, weil der Provokateur seinen Ärger letzten Endes an ihr auslässt, während der Musterschüler nichtsahnend volltankt. Ein solches Verhalten widerspricht allem, was der Autor eigentlich selbst fordert, beschreibt diese Episode aber als mustergültiges Beispiel für die Effektivität seines Systems.
Und obwohl der Autor mehrmals darauf hinweist, dass es mit der Kampfkunst Aikidō eigentlich schon ein Selbstverteidigungssystem gebe, das sich dem von ihm postulierten „Nichtkampf-Prinzip“ verschreibe, macht er gleichmäßig über den Text verteilt Werbung für das von ihm selbst entwickelte System des DAU-Boxens, welches seine Prinzipien in einzigartiger Weise verkörpere.
Zuguterletzt führt der Autor selbst sein gesamtes „Nichtkampf-Prinzip“ ad absurdum, wenn er an zwei, drei Stellen nebenher anmerkt, dass es durchaus Situationen geben mag, wo es geboten, nötig und legitim sei zu kämpfen. Also jetzt doch?! Es stellt sich heraus, dass sein gesamtes Konzept des „Nichtkampf-Prinzips“ auf Konflikte im kommunikativen Bereich bzw. höchstens auf jugendliche Prügeleien ausgerichtet ist, aber keinesfalls auf ernste, lebensbedrohliche Situationen. Da fühle zumindest ich mich als Leser für dumm verkauft.
Einen zweiten Stern gab ich dem Buch für das Kapitel „Schlägeridentität“ vom Diplom-Soziologen Thomas Ramm (merke: anderer Autor!), der kurz und knapp und trotzdem informativ die Mentalität von Gewalttätern beschreibt und analysiert. Leider kann dieses eine Kapitel, das das beste des ganzen Textes ist, nicht über die Enttäuschung des gesamten Buches hinweghelfen.
(Autor: Max Seinsch)
Ende August hat der Budo Bum einen tollen Artikel über „Vertrauen“ beim Kampfkunsttraining geschrieben (siehe http://budobum.blogspot.de/2013/08/trust-in-dojo.html). Innerhalb kürzester Zeit, schreibt er, könne man beim Training tiefgehendes Vertrauen zu Menschen entwickeln, die man gerade zum ersten Mal getroffen hat. Denn man legt sowohl die eigene körperliche Unversehrtheit als auch seinen Selbstrespekt (fast) völlig in die Hände des Trainingspartners und erfährt umgehend, wie derjenige damit umgeht. Das daraus erwachsende Vertrauen ermöglicht es auch, gewisse Techniken in einer Art und Weise zu üben, die schmerzhaft sein kann, ohne aber dieses gegenseitige Vertrauen aufs Spiel zu setzen. Im Gegenteil, die Grenzen der Beziehung werden hinausgeschoben und das Vertrauen vertieft.
Ich würde nicht so weit gehen, die Gefühle zu einem Trainingspartner von Anfang an als „Vertrauen“ zu bezeichnen. Zumal natürlich auch nicht verschwiegen werden darf, dass es manchmal Menschen gibt, die die Trainingssituation ausnutzen, um ihre Partner in einer Weise zu missbrauchen, die von Anfang an kein Vertrauen aufkommen lässt. Auch im Aikidō! Um ein solches Vertrauen aufkommen zu lassen, bedarf es meines Erachtens nämlich gewisser Grundvoraussetzungen bzw. einer oder mehrerer Vorstufen, die ich der Einfachheit halber unter dem Titel „Respekt“ zusammenfassen möchte. Gerade auch der Respekt, wie er sich an meinem Verhalten gegenüber anderen Menschen und ihrem Eigentum oder meinem Befolgen der Dōjō-Etikette zeigt. Oder etwa einer gewissen Bescheidenheit, die sich darin äußert, dass man eigene Maßstäbe nicht für gottgegeben hält und über gewisse Besonderheiten in einer neuen Schule nicht die Stirn runzelt.
Wann immer ich eine mir fremde Schule besuche, verhalte ich mich still und unauffällig und versuche so gut wie möglich, das Verhalten der anderen Anwesenden zu kopieren. Wenn mich jemand auf einen Fehler hinweist, hinterfrage ich das nicht mit einem vorlauten „Warum?“, sondern bedanke mich für die Hilfe. Auch habe ich kein Problem damit, in einer mir stilfremden Schule einen weißen Gürtel umzubinden oder am Training eines Lehrers teilzunehmen, der niedriger graduiert ist als ich. Wenn ich irgendwo zu Besuch bin, lasse ich also nicht den großen Max raushängen, sondern verhalte mich genauso: Wie ein Besucher, der sich an die Regeln vor Ort zu halten hat. Auch das ist ein Zeichen von Respekt!
Diejenigen, denen das alles noch etwas zu abstrakt ist, seien auf ein einfacheres, konkreteres Beispiel hingewiesen. Und zwar auf den zwischenmenschlichen Respekt, wie er sich in persönlicher Hygiene und Ordnung niederschlägt! Was gewisse Leute sich selbst antun, bleibt ihnen überlassen. Aber es gibt nichts Unangenehmeres als einen stinkenden Trainingspartner, sei es, weil er selbst ungewaschen ist oder er dringend seine Zähne putzen sollte, oder weil sein Anzug nach mehreren schweißtreibenden Trainingseinheiten lustig vor sich hinrottet und quasi ein Eigenleben entwickelt. Von dreckigen, ungeschnittenen Finger- und Fußnägeln, mit denen Traingspartnern die Haut aufgekratzt wird, brauche ich, glaube ich, gar nicht erst anzufangen.
Dass Trainingsteilnehmer auf persönliche Sauberkeit achten, darf man durchaus voraussetzen. (Obwohl ich zugeben muss, dass ich Schwierigkeiten habe, ganz auf Knoblauch zu verzichten.) Ein ungewaschener, müffeliger Körper bzw. Anzug ist eine Zumutung für jeden Trainingspartner und zeugt daher von mangelnder Rücksichtnahme und Respekt gegenüber seinen Mitmenschen. Darum habe ich auch großes Verständnis für Schulen, wo die Sauberkeit der Teilnehmer und ihrer Anzüge festen Regeln unterworfen, kontrolliert und bei Defiziten in der einen oder anderen Form bestraft wird. Ob man Wert darauf legen sollte, dass Trainingsanzüge gebügelt werden, sei dahingestellt. (Man kann auch päpstlicher als der Papst sein!) Aber als Schüler sollte man diese Regeln zumindest aus Respekt heraus einhalten, solange persönliche Hygiene noch nicht selbstverständlich ist.
Umgekehrt darf dieser Respekt allerdings auch keine Einbahnstraße sein. Gerade als Lehrer sehe ich die Gefahr, Schüler auch außerhalb des Trainings als Untergeordnete zu erachten und sie dementsprechend von oben herab zu behandeln. Unter den mannigfachen Gerüchten und Geschichten von Kampfkunstlehrern, denen ihre Position zu Kopfe gestiegen ist, sind mir persönlich auch einige Beispiele bekannt, wo Lehrer das „Vertrauensverhältnis“ zu ihren Schülern nicht nur emotionell (auch finanziell und sexuell) ausgenutzt haben. Regeln aufzustellen und sie durchzusetzen gehört zu den Vorrechten eines Lehrers. Nur müssen die Regeln auch bekannt sein bzw. müssen sie den Schülern mitgeteilt werden!
Einem unbedarften Schüler bzw. Besucher vorzuwerfen, er habe sich despektierlich verhalten, weil er (ahnungslos) seinen Anzug nicht gebügelt habe, und ihn dafür nicht nur zusammenzuscheißen, sondern auch noch zu bestrafen, zeugt in meinen Augen nur von mangelndem Selbstvertrauen auf Seiten des Lehrers und seinem tiefsitzenden Bedürfnis, sich selbst auf Kosten anderer zu profilieren. Respekt, wem Respekt gebührt, aber Respekt muss man sich auch verdienen, indem man anderen Menschen ungeachtet ihrer sozialen Stellung seinerseits Respekt erweist.
Wenn jemand ungewollt eine Regel missachtet, kann man die Person kurz zur Seite nehmen und sie unter vier Augen freundlich darauf hinweisen. Bei Wiederholung kann man schon etwas ungehaltener reagieren und beim dritten Mal mag auch ein öffentlicher Anraunzer vertretbar sein. Alles darüber hinaus verdiente auch einen Ausschluss vom Training. Aber ein Machtmissbrauch wie unter den gerade beschriebenen Umständen würde nur eins bewiesen: Dass ich als Lehrer völlig ungeeignet wäre und keinerlei Respekt verdient hätte!
(Autor: Max Seinsch)
Heute Morgen hat mein letztes Morgentraining im Dojo am Gleisdreieck stattgefunden. Darum an dieser Stelle ein großes Dankeschön an Ulli Serak und Max Eriksson für ihre Hilfe, sowie an die vielen Teilnehmer des Morgentrainings für ihr Vertrauen in den letzten drei Jahren. (Kommenden Montag beginnt dann das Morgentraining im Aikidokan.)
This morning my last morning practice at Gleisdreieck dojo took place. Therefore I would like to express my sincere gratitude here towards Ulli Serak and Max Eriksson for their help and all the participants of morning practice for their trust in the last three years. (Morning practice at Aikidokan will begin this coming Monday.)
今朝グライスドライエック道場で最後の朝稽古を行いました。ウリー・ゼーラクとマックス・エリクソンにお世話になったこと、朝稽古に参加してくださった皆さんの信頼をいただいたことに感謝の気持ちを表したいと思います。(今度の月曜日から合気道館の朝稽古がスタートします。)
m(_ _)m
Das Aikidō-Wörterbuch gibt es jetzt auch auf Englisch: Japanese-English Aikidō-Dictionary (auch zum Download als pdf-File).
English version of my Japanese-German Aikidō-Dictionary now available: Japanese-English Aikidō-Dictionary (including pdf-file for download).
日独合気道辞書の英語訳が出来ました: Japanese-English Aikidō-Dictionary (pdf-ファイルとしてダウンロード可)。
Yamamoto Jōchō: Die Lebensweise eines Samurai, Aus dem »Hagakure«, Übersetzt von Max Seinsch, Reclam 2013
Ein Problem, das viele Anfänger (aber auch Erfahrenere) als Trainingspartner (uke) haben, ist das richtige Timing, mit dem sie sich fallen lassen oder abrollen sollen. Manche lassen sich zu früh fallen, obwohl der Werfende (tori oder nage) die Technik zwar angesetzt, aber noch nicht ausgeführt hat. Manche warten so lange, bis die Technik sie schmerzhaft von den Beinen reißt, und beschweren sich hinterher über die „Grobheit“ ihres Übungspartners. (Zu dem Thema habe ich mich bereits anderweitig ausgelassen.)
Dieser Problematik wird auch nur selten durch eine Begriffserklärung abgeholfen. Ukemi, im Jūdō und Aikidō meist als „Fallschule“ übersetzt, bedeutet nämlich im allgemeinen Sprachgebrauch „passiv“. Und so verhalten sich denn auch viele Übende, wenn sie geworfen werden, nämlich passiv. Sie reagieren, wenn überhaupt, ausschließlich auf die Aktionen ihrer Partner und wundern sich, dass sie nicht rechtzeitig genug hinterherkommen, um ernste Schmerzen zu vermeiden. Die ganz Pfiffigen werden daraufhin „pro-aktiv“ und versuchen wiederum mit vorschnellem Fallen, Abrollen oder sogar Springen der Technik vorwegzugreifen. Das geht aber nur gut, weil sie zu wissen vermeinen, was auf sie zukommt. Macht der Partner nämlich plötzlich eine andere Technik, geht die im Voraus beschlossene Rolle meistens schief. (Abgesehen davon hindert man den Partner daran, die Technik ordentlich zu üben!)
Gutes ukemi stellt daher eine feine Gratwanderung zwischen „zu spät“ und „zu früh“ und zwischen „passiv“ und „aktiv“ dar. Ein Bild, das mir dabei einmal durch den Kopf schoss, war das einer Aikidō-Technik als sich bewegendes Schiff. Das Schiff schiebt eine Bugwelle vor sich her, die sich aus Atmung, Intention und Willenskraft des Werfenden konstituiert. Als uke zu fallen, bevor die Bugwelle ankommt, d.h. die Bugwelle vorwegzunehmen, ist aus den oben beschriebenen Gründen falsch. Uke reagiert nicht auf das, was tori macht und hindert ihn so daran, die Technik zu üben.
Zu warten, bis die Bugwelle über einen hinweggerollt ist, ist auch nicht richtig, weil man sich dann den Kopf am Schiffsbug stößt, d.h. man tut sich weh und verletzt sich.
Gutes ukemi dagegen ist es, den Aufbau dieser Bugwelle aus Atmung, Intention und Willenskraft (= ki) des tori zu spüren und sich in die richtige Position zu bringen, um sie dann wie ein Surfer reiten zu können. Nicht nur, dass das nicht wehtut, es trainiert auch das Gespür für das, was der Trainingspartner eigentlich macht. Denn erst hier merkt man eigentlich, was während einer Technik alles passiert, was ein Trainingspartner anders macht, als man selbst, all die kleinen Details, die eine Bewegung effektiv machen.
Das Bild von der Bugwelle gefällt mir umso mehr, als man damit auch die Niveauunterschiede zwischen uns normal Sterblichen und den großen Meistern anschaulich machen kann. Bei den großen Meistern ist die Technik nämlich so scharf, sie schneiden so schnell durchs Wasser, dass zwischen Bugwelle und Bug (= Körper) praktisch kein Abstand mehr besteht. Das macht es einem als uke auch unglaublich schwierig, angemessen darauf zu reagieren. Gerade darum ist es als uke unabdingbar, sich ein feines Gespür für tori anzueignen, um sich trotzdem nicht zu verletzen. Und nur so wird man in der Lage sein, die „Geheimnisse“ eines Meisters anzueignen und sie zu entschlüsseln. Denn die wichtigen Dinge sind für das Auge unsichtbar! ;-)
(Autor: Max Seinsch)
Übersetzung zweier Artikel von Endō Seishirō Shihan zu diversen Punkten, die es bei einer Prüfung zu beachten gilt.
Zwei Bekannte haben, völlig unabhängig voneinander, nachgefragt, ob das Wappen der Homepage einen Ninja-Wurfstern darstelle. Die Spitzen hätten bei Ihnen einen gefährlichen und abweisenden Eindruck hinterlassen. Nach der ersten Anfrage habe ich mir noch nichts weiter gedacht, sondern nur fröhlich erklärt, dass das Zeichen dem Yin-Yang-Symbol verwandt sei und sehr schön die kreisförmigen Bewegungen im Aikidō darstelle.
Nach der zweiten Anfrage allerdings wurde ich stutzig. Nicht nur weil es mir schwerfiel, in die drei ineinander verquirlten Wassertropfen oder auch Kaulquappen einen Wurfstern hinein zu sehen. Das gelang mir erst, nachdem ich meine Augen auf die Zwischenräume fokussierte und dort etwas erkannte, was tatsächlich an eine dreiklingige Sense erinnern mochte. (In meiner Jugend gab es einen fürchterlich schlechten Fantasy-Film names „Krull“ oder so, wo ein solches Wurfmesser den Highlight darstellte. Mir fröstelt angesichts der Erinnerungen!) Zu denken gab mir aber auch der Hinweis, dass ich mit dem Symbol eventuell prospektive Mitglieder abschrecken könnte, die ob der implizierten Gewalttätigkeit ihr Heil in der Flucht suchen würden. (Ich über-„spitze“ natürlich.)
Ich nahm das zum Anlass, einen kleinen erklärenden Text zu schreiben, der sowohl die ursprüngliche Symbolik, als auch meine persönliche Interpretation des Zeichens erläuterte. Denn es steht mitnichten für Gewalt, sondern wird in Japan bis heute als Schutzsymbol gegen Blitze und Feuer in vielen Shintō-Schreinen benutzt. Im übertragenen Sinne könnte man das Wappen also auch als Schild gegen Gefahr und Gewalt interpretieren. Trotzdem muss ich hier noch ein paar Gedanken los werden, die über die Bedeutung und Interpretation des Symbols hinausgehen. Und das meine ich keinesfalls als Kritik an den Beiden, die mich freundlicherweise auf diese Problematik aufmerksam gemacht haben.
Erstens darf man nicht vergessen, dass Aikidō eine japanische Kampfkunst ist, die nicht nur ihren eigenen Habitus, d.h. ihre eigene Sprache, Kleidung und Bewegung mit sich bringt, sondern auch ihre ganz eigenes Verhalten und Denken, die sich in der japanischen Kultur und ihrer Symbolik ausdrücken. Wer sich nicht zumindest ein bisschen darauf einlässt, wird vielleicht etwas üben, wo Aikidō draufsteht, aber wo noch lange kein Aikidō drin ist.
Zweitens vergessen viele interessierte Menschen aufgrund von Aikidōs Ruf als „gewaltlose“ Kampfkunst, dass es dennoch genau das ist: eine Kampf-Kunst! Wir werden der Gewalt in der Welt oder auch nur in der eigenen Gesellschaft nicht Herr, indem wir vor ihr den Kopf in den Sand stecken. Nur indem wir lernen, erst mit den eigenen Aggressionen, der eigenen Gewalt umzugehen, versetzen wir uns in die Lage, uns gegenüber den Aggressionen und der Gewalt anderer Menschen zu behaupten. Und wie der Gesellschaftstanz es uns ermöglicht, in einem kontrollierten Umfeld zu lernen, mit den nicht-verbalen und doch nuancierten Verhandlungen der Geschlechterbeziehungen umzugehen, erlaubt uns das Aikidō-Training in sicherer Umgebung unsere Ängste zu konfrontieren.
Drittens glaube ich nicht, dass man es allen Leuten recht machen kann. Egal welches Zeichen, Symbol, Wappen oder Icon man benutzt, wird es immer Menschen geben, die sich davon nicht angesprochen oder sogar abgestoßen fühlen werden. Natürlich möchte auch ich als Aikidō-Lehrer möglichst viele Leute erreichen, um sie mit meiner Begeisterung anstecken zu können. Und natürlich könnte ich auf Kosten von Authentizität und Originalität versuchen, meine öffentliche Präsentation so rund und reibungslos zu gestalten, dass sich niemand daran stoßen würde. Aber wäre das noch interessant? Könnte daran noch jemand Geschmack finden? Das wäre mir zu fad. Darum werde ich auch in Zukunft hin und wieder ein paar Spitzen und Haken übrig lassen, damit überhaupt irgendjemand hängen bleibt!
(Meinen aufrichtigen Dank an die beiden Bekannten, die mir durch ihre Anregungen zu einem überaus produktiven Nachmittag verholfen haben!)
(Autor: Max Seinsch)
Das überarbeitete Aikidō-Wörterbuch ist jetzt online und kann auch als pdf-Datei heruntergeladen werden!
Sieht man sich Werbung für Aikidō-Schulen an, fällt auf, dass oft damit geworben wird, Aikidō sei besonders für Kinder, Frauen und Senioren geeignet, sprich für schwache, kraftlose Menschen, weil man im Aikidō keine Kraft benötigte. Dieses Argument wird manchmal so breit getreten, dass man meinen könnte, sportliche, gut durchtrainierte Männer zwischen 20 und 50 Jahren seien völlig unerwünscht und könnten sich vom Aikidō-Training sowieso keinen positiven Effekt erhoffen.
Sieht man sich allerdings berühmte Meister an, kommt man nicht umhin zu bemerken, dass die allermeisten auch in fortgeschrittenem Alter noch topfit und nicht eben schwach sind. Auch der Gründer des Aikidō, Ueshiba Morihei, wog zu seinen besten Tagen 80 kg bei gerade mal 1,57 cm und zeigte auch im hohen Alter noch einen muskulösen Körper. Übrigens gehört es zur Legendenbildung aller berühmten Kampfkunstmeister, dass sie im Kindesalter klein, schwach und kränkelnd waren. Das erzählt man sich vom Aikidō-Gründer genauso wie vom Jūdō-Gründer Kanō Jigorō und vom Karate-Übermittler Funakoshi Gichin. Punkt dieser Legendenbildung ist aber gerade, dass alle diese Meister durch die Kampfkünste zu kräftigen und gesunden Menschen herangewachsen sind.
Natürlich kann (fast) jeder Mensch Aikidō trainieren. Das ist sogar einer der Punkte, die es von vielen anderen Sportarten unterscheiden: Weil es keine Wettkämpfe gibt und die Kooperation und Gemeinschaft der Trainingspartner besonders betont wird, ist es Breitensport im besten Sinne des Wortes. Aber leider wird der „kraftlose“ Aspekt des Aikidō oft dahingehend missverstanden, dass man auch „schwach“ bleiben soll, weil man ja „keine Kraft braucht“. Es gibt so einige Praktizierende, die ihre Schwäche wie einen Schutzschild vor sich halten, sobald es im Training mal darum geht, ihre Körperkraft, ihre Gelenkigkeit oder ihre Ausdauer zu verbessern. Und wundern sich dann, wenn sie keine Fortschritte machen.
Dass Aikidō auch für schwache Menschen geeignet ist, kann nämlich nicht bedeuten, dass Aikidō eine Beschäftigungstherapie für Schwächlinge ist und solche, die es bleiben wollen. Egal ob männlich oder weiblich, am menschlichen Alterungsprozess kann man nichts ändern. Aber man kann den üblichen Verfallserscheinungen entgegenwirken, indem man regelmäßig Sport treibt. Auch wenn Knochen und Gelenke mit zunehmendem Alter porös bzw. steif werden, gibt es etwas, was man auch bis ins hohe Alter hinein immer wieder neu aufbauen kann: Muskeln! Und mit dem richtigen Muskelaufbau können wir nicht nur unsere allgemeine Kondition und Ausdauer verbessern, sondern auch unsere Gelenke stützen und vor Verletzungen schützen. Ganz abgesehen davon wirkt regelmäßiges Training auch dem Knochenabbau entgegen.
Genauso wie selbst hochbetagte Senioren also ihre körperliche Verfassung durch regelmäßiges Training verbessern können, ist karada-zukuri, der Körperaufbau, ein wichtiger erster Schritt für alle Anfänger im Aikidō. Allein schon, um richtig fallen zu lernen ohne sich zu verletzen (Ukemi), ist es nötig, gelenkiger zu werden und die nötigen Muskelpartien aufzubauen. Und so wie muskulöse, gut durchtrainierte Leichtathleten in der Lage sind, scheinbar mühelos (ohne Kraft) Weltrekorde zu erzielen, ist man auch im Aikidō nur dann in der Lage, seine Partner mühelos und ohne Kraft zu werfen, wenn man sich einen entsprechenden Muskelapparat und die dazu passende Fitness angeeignet hat. Denn „ohne Kraft“ im Aikidō bedeutet nicht schlaff und kraftlos!
(Autor: Max Seinsch)
(Dieser Artikel hat etwas mehr Zeit in Anspruch genommen, dafür ist er etwas länger. Bei der Artikulierung dieser Gedanken waren mir die Teilnehmer meines Morgentrainings eine große Hilfe, die sich als dankbare Blitzableiter erwiesen, um meine Gedankengänge zu erden.)
Sowohl im Internet, als auch in der einschlägigen Literatur, sowie in Medienberichten erlebe ich fortwährend eine einseitige Betonung der einzelnen Person, des Individuums, die ich höchst irritierend finde. Wie im Fitness- und Wellness-Studio werden die Vorzüge der Zen-Meditation, des Yoga, des Tai Chi, aber auch der japanischen Kampfkünste mit dem Potential für ansehnlichere Körper, größere Ausdauer, besseres Konzentrationsvermögen, innere Balance, Selbstsicherheit und gar Selbsterkenntnis propagiert. Diese allgegenwärtige Überbetonung auf das Selbst, auf das Ego, kommt mir höchst befremdlich vor, soll doch das Ziel des Zen und aller von ihm beeinflussten Kulturformen gerade die Auflösung des Ego und des subjektiven Bewusstseins sein.
Einer der wichtigsten Gründe, die mich nach zehn Jahren Karate (unbewusst) dazu brachten, zum Aikidō zu wechseln, war deshalb auch, dass man im Aikidō fast ausschließlich zu zweit (oder mehr) trainierte. Das ausgeprägte Training der Grundtechniken und der Kata im Karate, die man wie beim Schattenboxen allein übt, war mir schlichtweg langweilig geworden. Aber nicht nur das. Die extensive Beschäftigung nur mit mir selbst in diesen Trainingsformen war über lange Zeit faszinierend und notwendig zugleich. Doch im Laufe der Trainingsjahre wurde mir dieses introvertierte Training fad und unbefriedigend. Danach kam mir die vielseitige Beschäftigung mit verschiedensten Trainingspartnern und die Aufmerksamkeit, die dem direkten Umfeld und der äußeren Welt gezollt wird, im Aikidō wie eine Befreiung vor.
Dennoch erlebe ich selbst in Aikidō-Dōjōs häufig eine einseitige Betonung auf den Einzelnen. Oft heißt es bei Erklärungen „tori muss sich so und so bewegen“ oder „uke muss auf das und das achten“. Womit impliziert wird, dass solange beide Partner sich auf ihre eigene Rolle konzentrieren, die Technik auch funktioniert. Selten bekommt man mal zu hören, „wenn tori sich so bewegt, wirkt sich das folgendermaßen auf uke aus“. Oder „nur wenn tori sich im Verhältnis zum uke richtig positioniert, überträgt sich seine Gewichtsverlagerung optimal auf den Partner“. Selten wird auf das Gegenspiel bzw. das Zusammenspiel der Kräfte, der Bewegungen, der Partner eingegangen.
Diese Beunruhigung meinerseits über eine übertriebene Verinnerlichung des Aikidō steht auch im engen Zusammenhang mit meiner langjährigen Irritation über allzu esoterische Interpretationen der japanischen Kampfkünste. Beschreibungen wie „Spiritualismus in Bewegung“ oder „Harmonie mit der Seele des Universums“ jagen mir bis heute kalte Schauer über den Rücken. Überhaupt die gesamte Gleichsetzung der Zen-Schiene, Buddhismus möchte ich es gar nicht mehr nennen, mit der japanischen Kultur im Allgemeinen und den Kampfkünsten im Besonderen entspricht nicht dem, was ich in 16 Jahren in Japan erlebt und erfahren habe.
Gerne wird im Westen die „echte“ japanische Kultur als still, schlicht, introvertiert und kontemplativ stereotypisiert, während alles, was in Japan laut, bunt, extrovertiert und spektakulär ist, als amerikanisierte Kultur abgetan wird. Doch während sich eine gewisse „Verwestlichung“ der japanischen Kultur nicht abstreiten lässt, werden hier Ursache und Wirkung verwechselt. Moderne japanische Kultur wirkt nicht laut, bunt und extrovertiert, weil sie amerikanisiert wurde, sondern konnte problemlos amerikanische Einflüsse aufnehmen, weil sie von vornherein auch laut, bunt und extrovertiert war.
Ströme von japanischen Touristen bestaunen die berühmten Zen-Tempel und -Gärten Kyōtos genau wie Amerikaner und Europäer und sind genauso tief beeindruckt davon, eben weil es ihren Augen genauso fremd und exotisch erscheint wie denen der Ausländer. Aber danach muss es dann auch wieder so etwas prunkvolles wie die vergoldete Pagode des Kinkakuji sein. Nō-Theaterstücke, tief vom Geist des Zen durchhauchte hohe Kunst, müssen in regelmäßigen Abständen von komischen Stücken des Kyōgen-Theaters unterbrochen werden, damit das verehrte Publikum nicht reihenweise einschläft. (Für viele Zuschauer, habe ich mir sagen lassen, sei das Nō auch nur notwendiges Übel, um sich am Kyōgen erfreuen zu können.) Größerer Beliebtheit erfreut sich sowieso das spektakuläre, actionreiche Kabuki-Theater.
Shintō-Schreinfeste sind, nicht unähnlich dem Kölner Karneval, extravagante, farbenfrohe und lautstarke Massenveranstaltungen, denen gegenüber die Lebendigkeit und Geschäftigkeit des größten Fischmarkts der Welt, Tsukiji in Tōkyō, kaum nachstehen. Und die Ursprünge der inzwischen weltweit beliebten Mangas sind nicht etwa bei Walt Disney & Co. zu suchen, sondern in den prächtigen und oft frivolen Farbholzschnitten Japans des 18. und 19. Jahrhunderts.
Was, werden sich die werten LeserInnen, die es bis hierher geschafft haben, fragen, hat das alles mit Aikidō zu tun? Aikidō wird vor allem in Deutschland gerne als harmonische, spirituelle, der Esoterik und dem Zen nahestehende Bewegungskunst charakterisiert, die so pazifistisch ist, dass ihr alles martialische eigentlich abgeht und sie die Bezeichnung „Kampf“-kunst nicht wirklich verdient. Soweit man allerdings vom Aikidō als einer spirituellen Kampfkunst reden kann, ist diese Spiritualität keineswegs nach innen gerichtet, sondern nach außen. Sie ist nicht introvertiert, sondern extrovertiert. Sie ist nicht auf das Ego gerichtet, sondern auf das „Nos“, das Wir. Sie sucht nicht Selbstvertrauen durch Selbsterkenntnis, sondern Vertrauen in die Mitmenschen durch die Erkenntnis, dass man eingebunden ist in der Gemeinschaft. (Ich kann auch esoterisches Kräuterteegebabbel, wenn ich will!)
Wer dieser Tage etwas ins Schwitzen kommen, sich (!) fithalten will, stopft sich zuallerst einmal Kopfhörer in die Ohren und geht Laufen oder ins Fitnessstudio, um abgeschottet von allen Umwelteinflüssen mit sich selbst ins Reine zu kommen. Gott bewahre, dass mich der Typ auf dem Laufband nebenan anspricht. Und das schimpft sich dann „Zen in der Kunst des Marathonlaufens“ oder ähnliches. Und solch gemeinschaftlichen Zeitvertreibe wie Gesellschaftstanz und Chorsingen sind ja eh sowas von out!
Diese gleichzeitig tiefgehende und oberflächliche Beschäftigung mit Meditation und Spiritualität, die sich auch im Wellness-Boom äußert, verrät eine Besessenheit mit dem Selbst, die gerade dem Zen eigentlich völlig abgehen sollte. Man konzentriert sich auf sich selbst, vertieft sich in sich selbst, und verliert derart den Blick für die Welt um einen herum, dass man irgendwann die Echos der eigenen Gedanken und vorgefassten Meinungen in seinem hermetisch abgeschlossenen Geist mit Gottes eigener Wahrheit verwechselt. (Frei nach Terry Pratchett!)
Mir geht es nicht darum, die Motivation der Leute zu hinterfragen, die Zen-Meditation oder Kampfkunsttraining in erster Linie als Methode zur Selbsterkenntnis praktizieren. Und ich akzeptiere die Notwendigkeit dieser Selbsterkenntnis als Grundvoraussetzung in der Entwicklung eines Kampfkünstlers. So wissen Anfänger zum Beispiel im Allgemeinen nicht, mit ihren eigenen Körpern umzugehen, geschweige denn, denen ihrer Trainingspartner. Bevor sie anfangen können, konstruktiv mit einem Partner zu arbeiten, müssen sie erst einmal ihren eigenen Körper kennenlernen und aufbauen. Das verlangt ein gehöriges Maß an Selbstdisziplin und Selbstkritik, die sogar Fortgeschrittenen oft noch fehlt. Nur wenn man sich selbst gegenüber ehrlich bleibt, ist man in der Lage, ohne Ausreden an eigenen Schwächen zu arbeiten.
Aber Aikidō hauptsächlich als Instrument zur Selbsterkenntnis zu betrachten, lotet die Bedeutung dieser Kampfkunst nicht annähernd aus. Der Fokus auf sich selbst ist eine notwendige erste Stufe, aber was kommt dann? Wenn danach nicht die Hinwendung der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins nach außen, hin zum Trainingspartner und zum persönlichen Umfeld folgt, verliert Aikidō nicht nur einen bedeutenden Teil seines Potentials, sondern sein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von anderen Kampfsportarten und -künsten! Denn dort wird zwar auch mit Partnern trainiert, dann geht es aber immer um ein Messen der Fähigkeiten, einen Zweikampf, Kraft gegen Kraft, Schnelligkeit gegen Schnelligkeit, Wille gegen Wille. Mit dem logischen Ergebnis, dass es immer einen Verlierer gibt.
Nirgendwo sonst wird wie im Aikidō das Zusammenspiel der Kräfte, das Zusammenwirken der Bewegungen und die Kooperation der Trainingspartner nicht nur betont, sondern als ausdrückliches Ziel proklamiert. In diesem Zusammenhang gefällt mir daher auch die Übersetzung „Synergie“ für das „aiki“ von Aikidō immer besser. (Siehe Wikipedia: „Die Synergie (...) bezeichnet das Zusammenwirken von Lebewesen, Stoffen oder Kräften im Sinne von „sich gegenseitig fördern“ bzw. einen daraus resultierenden gemeinsamen Nutzen. Eine Umschreibung von Synergie findet sich in dem Ausspruch von Aristoteles „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, auch als Holismus bezeichnet.“)
Lange Rede, kurzer Sinn: Es geht nicht um mich, sondern um uns. Es geht nicht um Einsamkeit, sondern um Zweisamkeit. Es geht nicht um Unabhängigkeit, sondern um die Fähigkeit, dem Mitmenschen vertrauen und sich auf ihn verlassen zu können. Persönlichkeitsentwicklung ausschließlich durch In-sich-gehen ist von Beginn an begrenzt, denn ihr volles Potential erreicht sie nur dann, wenn sie die Angst vor der großen weiten Welt überwindet und über sich selbst hinauswächst, um mit den Mitmenschen in der Welt zusammenwirken zu können. Der Trainingspartner ist daher kein Mittel zum Zweck, keine Antenne, um mit kosmischen Sphären in Verbindung zu treten. Sondern die Synergie mit dem Partner erweist sich als die Transzendierung der eigenen, auf sich selbst beschränkten Welt. ;-)
(Autor: Max Seinsch)
Aikidō-Übende in Deutschland sind oft überrascht, wenn man ihnen erzählt, dass es in Japan keine Seltenheit ist, nach einem, höchstens zwei Jahren seinen ersten Dan zu erhalten. Diese Überraschung beruht meines Erachtens auf dem Trugschluss, dass in Japan genau so trainiert wird wie in Deutschland.
Ein normales Training im Honbu Dōjō dauert eine Stunde. Davon werden 5-10 Minuten fürs Aufwärmen und Gymnastik verwendet, weitere 5-10 Minuten braucht der Lehrer über die Stunde verteilt, um die zu übenden Techniken zu zeigen.
D.h., für das reine Üben stehen ca. 45 Minuten zur Verfügung, die sich zwei Partner teilen müssen.
Obwohl das Ukemi, die Fallschule, auch einen wesentlichen Bestandteil des Trainings darstellt, wollen wir kurz durchrechnen, wieviele Techniken ein Partner pro Trainingseinheit durchführen kann. Abhängig von der Technik, der Geschwindigkeit und dem Rhythmus braucht man vom Angriff bis zum Aufstehen des Partners nach der Technik 5-10 Sekunden. Um ein theoretisches Mindestmaß zu erhalten gehe ich mal von großzügigen 10 Sekunden aus. Einem Partner stehen, konservativ gerechnet, 20 Minuten zur Verfügung. Daraus geht hervor, dass ein Partner pro Trainingseinheit mindestens 120 Mal eine Technik durchführen kann. Nimmt diese Person an zwei Trainingeinheiten pro Tag teil (was keine Seltenheit ist), verdoppelt sich das auf 240 Mal. Bei 4 Trainingstagen pro Woche wären das 960 Ausführungen, bei 200 Trainingstagen im Jahr beläuft sich das auf 48.000 Techniken im Jahr, bei 250 Trainingstagen sogar auf 60.000 (und ich kenne nicht wenige, die es auf soviele Trainingstage im Jahr bringen).
Im Vergleich dazu dauert ein durchschnittliches Training in Deutschland 90 Minuten, wobei mindestens 30 Minuten für das Aufwärmtraining, die Gymnastik und das Vorzeigen des Lehrers verwendet werden. Das lässt höchstens 60 Minuten zum Trainieren der Aikidotechniken bzw. 30 Minuten pro Übungspartner. Das Tempo ist (meinem ganz subjektiven Urteil zu Folge) sehr viel langsamer als im Honbu Dōjō, weil viel Zeit für Sprechen und Pausen zwischen den Techniken verwendet wird. 20 Sekunden für eine Technik ist daher gewiss nicht zu viel veranschlagt. Das würde bedeuten, dass ein Partner pro Trainingseinheit 90 Techniken durchführen kann. Bei zwei Trainingstagen pro Woche beliefe sich das auf 9.000 Techniken, bei drei Tagen pro Woche auf 13.500, und bei vier Tagen pro Woche auf 18.000 Techniken im Jahr.
Dieser einfache Vergleich, so ungenau und unfair er auch sein mag, veranschaulicht ziemlich klar, warum es im Honbu Dōjō möglich ist, nach ein, höchstens zwei Jahren seinen ersten Dan zu machen, während das in Deutschland durchaus einige Jährchen mehr in Anspruch nimmt. Natürlich sagt diese quantitative Aufstellung auch nichts über die Qualität des Trainings bzw. der Techniken aus. Trotzdem sollte uns klar werden, dass zumindest dieser quantitative Unterschied über die Jahre hinweg akkumuliert. Phi mal Daumen hat ein Mitglied des Honbu Dōjō nach 10 Jahren 300.000 Techniken mehr trainiert als ein jemand in Deutschland. Und das führt ganz natürlich auch zu einer entsprechenden Qualität in der Ausführung der Techniken.
(Autor: Max Seinsch)
In der New York Times stand kürzlich ein hochinteressanter Artikel mit dem Titel „How Yoga can wreck your body“, übersetzt „Wie Yoga Ihren Körper ruinieren kann“, in dem die kontroverse Meinung vertreten wurde, dass die große Mehrheit der Praktizierenden Yoga aufgeben sollte, weil es ihnen mehr schadet als Nutzen zu bringen. Der langjährige Yogalehrer Glenn Black betonte im Interview, dass Yoga für Menschen in guter körperlicher Konstitution sei.
Dazu auch der vom Tagesspiegel interviewte Günter Niessen, Berliner Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie: „Hauptproblem ist seiner Erfahrung nach der allzu große Ehrgeiz, immer mehr und immer schwierigere Dehnungen hinzubekommen. „Das wird oft nicht mit Muskelkraft abgesichert“, moniert der Orthopäde.“
Hier gibt es eindeutige Parallelen zum Aikidō: Zu oft wird propagiert, dass man sich im Aikidō ohne (Muskel-) Kraft bewegt und alle Bewegungen „weich“ vollführt werden müssten. Das führt allerdings häufig dazu, dass Weichheit mit Passivität, Kraftlosigkeit und Schlaffheit verwechselt wird und gerade bei Anfängern zu Verletzungen beiträgt. Darum betont man in Japan am Anfang die Bedeutung des Körper-Aufbauens (karada-zukuri, auf Englisch body-building) im Aikidō. Bevor man richtig zur Sache gehen kann, ist es für Anfänger wichtig, sich einen für das Aikidō-Training geeigneten Körper anzueignen, sowohl was ihre Ausdauer angeht, als auch ihren Muskelapparat. Natürlich können auch schwache Menschen Aikidō lernen, das heißt aber nicht, dass sie schwach und kraftlos bleiben sollen. Ganz abgesehen davon, dass für jede Bewegung eine Vielzahl an Muskeln nötig ist und diese Muskeln auch unsere Gelenke vor Überbeanspruchung schützen, wird eine durchtrainierte Person sich entspannt sehr viel dynamischer und eleganter bewegen (können) als eine untrainierte. Das Bild, das mir dabei vorschwebt, ist das von BallettänzerInnen, die gleichzeitig muskulös und geschmeidig sind.
Die Gegenpole sind dabei nicht „weich“ und „hart“, sondern „schlaff“ und „steif“, wobei es Anfängern oft gelingt, in ihren Bewegungen zwischen diesen beiden Polen hin und her zu oszillieren. Was im Aikidō mit „weich“ gemeint ist, ist vielmehr die „Flexibilität“, „Geschmeidigkeit“ und „Elastizität“, wie sie Gummi zu eigen ist, denn auch Gummi kann gleichzeitig nachgiebig und trotzdem widerstandsfähig sein. Um eine überstrapazierte Metapher zu verwenden: Man soll wie der Bambus sein, der sich im Winde neigt und hernach wieder aufrichtet!
Dementsprechend soll man sich als Uke, wenn man seinem Trainingspartner Widerstand leistet, nicht steif wie ein Brett machen, sondern zäh und elastisch wie ein Gummiband, das, mal mehr, mal weniger nachgiebig auf die ausgeübte Kraft reagiert. Aus diesem Grund redet man im Japanischen auch oft davon, dass man sich gegenseitig knetet (neru) wie einen Brotteig oder walkt wie Leder. Nur so können zwei Trainingspartner sich gegenseitig dazu verhelfen, einen Aikidō-spezifischen Muskelapparat aufzubauen. Man wird sich gegenseitig zur Muskelmaschine im Body-Building-Studio!
In dem Zusammenhang ein Wort an die Praktizierenden, die sich bei ihren Übungspartnern beschweren, wenn ein Hebel wehtut: Natürlich gibt es (ja, auch beim Aikidō) rücksichtslose Charakterschweine, die ihre Partner bösartig mit einem seltsamen Glitzern in den Augen derart auf die Matte pfeffern, dass man meinen könnte, sie hätten Aktien einer Rollstuhlfirma gekauft. Gegen solche Leute hilft leider nichts anderes, als es ihnen mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Und weil das natürlich zu einer unerwünschten Eskalation führt, wenn nicht zu offenem Streit, ist es besser, sich sofort zu trennen und einen anderen Partner zu suchen.
Aber ich bitte folgendes zu bedenken: Wenn es wehtut, ist in vielen Fällen der Uke selbst schuld! Er leistet zu viel Widerstand, macht sich zu steif, sperrt sich oder bleibt einfach passiv. Kein Wunder, dass es dann wehtut! Die einseitige Abschiebung der Schuld auf den Tori, der den Hebel angesetzt hat, stellt ein eklatantes Versagen der Eigenverantwortlichkeit und Selbstkritik dar, ohne die im Aikidō keine Fortschritte möglich sind.
Wenn ich als Uke von meinem Partner verlange, dass er mir auf keinen Fall Schmerzen zufügt, egal wie dumm ich mich anstelle, kann er nicht wirklich trainieren und mir bringt es auch nichts, es ist also alles vergebene Liebesmüh. Als Uke hat man selbst die Verantwortung dafür, sich selbst zu schützen. Ukemi, mit „Fallschule“ leider nur ungenügend übersetzt, bedeutet nicht, dass man passiv bleibt, sondern dass man sich aktiv darum kümmert, einer Technik zu begegnen ohne sich zu verletzen, während man dem Partner beim Üben hilft. Wenn ein Hebel also wehtut, muss man sich als Uke überlegen, wie man sich bewegen muss, um diesem Schmerz zu entgehen. Gerade deswegen ist der Uke auch nicht einfach passiver Statist, sondern aktiv übender Teilnehmer am Geschehen. Beide Partner trainieren, nicht einer, und dann der andere!
Oben genannte Zeitungsartikel:
New York Times: „How Yoga can wreck your body“
Der Tagesspiegel: „Yoga - Experten warnen vor den Folgen”
(Autor: Max Seinsch)
Was mir immer wieder auffällt, wenn ich mir im Internet oder im Buchladen Aikidō-relevante Texte zu Gemüte führe, sind die oft eklatanten Missverständnisse, um nicht zu sagen Fehler, die bei der Übersetzung und Interpretation japanischer Termini zu Tage treten. Mein „Lieblings-“fehler, den ich immer wieder (Immer? Nicht immer. Aber immer öfter!) zu Gesicht bekomme, ist die Übersetzung des „ai“ in Aikidō mit „Liebe“!
Nun würde es vollkommen reichen, ein japanisches Wörterbuch zu öffnen oder, falls man gerade keins zur Hand hat, im Internet eines wie das sehr gute www.wadoku.de aufzusuchen, um herauszufinden, dass für das Schriftzeichen „ai“ 合 nirgends die Bedeutung „Liebe“ zu finden ist, sondern dass es sich um die Substantivierung des Verbs „au“ mit Bedeutungen wie „eine Einheit bilden“, „deckungsgleich sein“, „zusammenpassen“ und „harmonieren“ handelt. Sogar die oft gefundene Übersetzung mit „Harmonie“ ist daher nur im übertragenen Sinne möglich. Woher aber kommt dann die „Liebe“?
Dabei handelt es sich um ein Wortspiel der Homophone „ai“ 合 und „ai“ 愛, wobei es sich beim zweiten Zeichen in der Tat um die gesuchte „Liebe“ handelt. (Auf solchen Wortspielen basiert übrigens ein großer Teil des japanischen Humors.)
Nun möchte ich natürlich dem Schöpfer des Aikidō, Ueshiba Morihei Ō-sensei, auf keinen Fall widersprechen, wenn er die beiden „ai“ durchaus einander gleichsetzt. Aber wenn man sich über die Herkunft einer solchen bewussten Analogie nicht im Klaren ist, verliert man die Möglichkeit des klaren, eindeutigen Verständnisses.
Natürlich gibt es sprachwissenschaftliche Theorien, die zwischenmenschliches Verständnis über die Sprache zu einem Ding der Unmöglichkeit deklarieren. (Wie einsam müssen Leute sein, die so etwas behaupten!) Aber hier halte ich es wie mit dem Geld: Allein macht es nicht glücklich, aber es hilft ungemein. Das Studium von (Fremd-) Sprachen führt nicht unbedingt zum sofortigen gegenseitigen Verständnis, aber ...! Und was kann man schon von einem Lehrer lernen, dessen Sprache man nicht versteht?
Ein besseres, genaueres Verständnis der Terminologie hilft meines Erachtens nicht nur beim Vokabellernen vor Prüfungen, sondern führt auch zu einem bewussteren und darum gehaltreicheren Training.
Aus diesem Grund habe ich ein kleines Aikidō-Wörterbuch zusammengestellt, das ich hiermit der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte. Ich bitte zu beachten, dass es sich dabei um ein fortlaufendes Projekt handelt und ständig ergänzt werden soll.
Auch dafür wäre ich für Hinweise auf Fehler und Vorschläge für Verbesserungen und neue Einträge sehr dankbar.
(Autor: Max Seinsch)
Die letzten drei Jahre in Japan hatte ich, als einer der ersten beiden Ausländer, die Ehre, zum Kanji, zum offiziellen Betreuer des Honbu Dōjō berufen zu werden. Zu unseren Aufgaben gehörte neben der Mithilfe bei der Organisation großer Veranstaltungen und des vierteljährlichen Großputzes auch die der Sittenwächter im Dōjō: Wir kümmerten uns um Anfänger, Besucher von außerhalb und ausländische Gäste und machten sie auf die (ungeschriebenen) Benimmregeln aufmerksam.
So sollten Mützen und Hüte vor dem Gebäude abgenommen werden und Schuhe werden im Eingangsbereich natürlich ausgezogen. Darüber hinaus dürfen z.B., abgesehen von den Büroangestellten, nur hochgestellte Lehrer und hoher Besuch im Gebäude Pantoffeln oder Slipper tragen. Für Japaner normalerweise kein Problem, aber für Gäste aus dem Ausland manchmal nicht so angenehm.
Dann gibt es immer mal wieder Teilnehmer, auch Japaner, die sich mit einem Handtuch den Schweiß vom Gesicht wischen, während der Lehrer die nächste Technik vorführt. Weil das einen Mangel an Aufmerksamkeit und dem Lehrer gegenüber an Respekt zeigt, werden sie später kurz zur Seite genommen und höflich darauf aufmerksam gemacht, ihr Gesicht gefälligst erst abzuwischen, nachdem der Lehrer fertig ist. Was besonders im schwülen japanischen Sommer ein Problem darstellt, da einem der Schweiß im wahrsten Sinne des Wortes runterströmt.
In diesem Zusammenhang stoßen mir beim Training in Europa manchmal ein paar Dinge komisch auf, die in Japan der Etikette im Dōjō widersprechen würden. Und damit meine ich nicht das allgemeine Tragen von Sandalen bis zur Matte, was auch in den öffentlichen Sporteinrichtungen Japans gang und gebe ist.
Aber von Zeit zu Zeit sieht man Dan-Träger, die ihren Hakama, ihren Hosenrock seitlich in den Gürtel stecken, um mehr Fußfreiheit zu erlangen. Mal ganz abgesehen davon, dass das vom Kampfkunst-Aspekt her keinen Sinn macht, soll doch der Gegner nicht sehen können, wie man seine Füße bewegt: Es mag vorkommen, dass der Lehrer beim Vorführen den Hakama hochnimmt, um den Zuschauern seine Beinarbeit zu verdeutlichen. Das dient aber nur der Veranschaulichung und sollte die Übenden nicht dazu verleiten, den Lehrer zu imitieren, kommt es doch dem Zeigen seiner Unterwäsche gleich. Und das geht gar nicht!
Gleiches gilt übrigens auch für den Fall, dass man während des Trainings seine Kleidung richten möchte: Bitte nicht mitten auf der Matte, wo einen alle beobachten können! Am besten kurz zur Seite gehen, sich zur Wand drehen und schnell und unauffällig alles erledigen.
Gelegentlich sieht man auch jemanden in einer schwarzen Jacke oder einem weißen Hakama trainieren (ich habe sogar schon mal jemanden in einem pinken Anzug beim Training gesehen). Und wenn es auch japanische Lehrer geben mag, die so unterrichten, sollte man dem Bedürfnis, diese Lehrer zu imitieren bzw. durch seine „Individualität“ auffallen zu wollen (was sich eigentlich gegenseitig ausschließt), nicht erliegen. Denn der Versuch, sich auf diese Art und Weise auf eine Stufe mit dem Lehrer zu stellen, fällt zwar auf, aber nur unangenehm.
Ein bei Anfängern häufig zu sehender Fehler betrifft die Kleidung: Bei den Jacken muss das linke Revers über das rechte gelegt werden, und der Gürtel muss so verknotet werden, dass die Gürtelenden seitlich herausstehen und nicht vertikal. Umgekehrt macht man es in Japan nämlich nur bei Verstorbenen vor der Verbrennung! Hier kommen kulturelle Tabus ins Spiel, die man nicht ignorieren sollte.
Während ich durchaus der Meinung bin, dass man nicht päpstlicher als der Papst sein sollte, empfinde ich Aikidō natürlich auch als ein Stück japanischer Kultur. Wenn wir uns während des Trainings die Hand geben würden, anstatt uns voreinander zu verbeugen, wenn wir in Joggingklamotten statt in Aikidō-Anzügen trainieren würden, wenn wir überhaupt alles weglassen würden, was nicht unbedingt nötig ist, kommt irgendwann der Punkt, wo das was wir machen aufhört, Aikidō zu sein, und beginnt, etwas anderes zu sein. Scheinbar oberflächliche Gesten und Rituale tragen dazu bei, die ganz besondere Atmosphäre eines Aikidō-Trainings zu erzeugen.
Außerdem wollen wir ja auch etwas vom Aikidō lernen, wir wollen ein Stück japanischer Kultur lernen. Woran sollen wir erkennen, was wesentlich zum Aikidō gehört, wenn wir uns nicht erst einmal darauf einlassen? Auch das bedeutet es, dem ganzen ein Stück Respekt entgegen zu bringen. Und wir sollten versuchen, den (japanischen) Lehrern, von denen wir uns ja etwas erhoffen, nicht dadurch vor den Kopf zu stoßen, dass wir ihre Sitten und Gebräuche mit den Füßen treten.
Letzten Endes ist es nämlich immer besser, durch Trainingseifer und die Qualität der eigenen Bewegungen herauszustechen, als durch mangelnde Konformität unangenehm aufzufallen. Denn solchen Leuten bringt niemand gerne etwas bei!
Es gibt auch einen neuen Artikel zum Thema „Gewaltprävention“ im Bereich „Aikidō ist ...“.
(Autor: Max Seinsch)
Viele ausländische Touristen in Japan bekommen einen Kulturschock. Das liegt zum Teil natürlich auch daran, dass das Klima anders als gewohnt ist, sie die Sprache nicht verstehen, das Essen ungewohnt und Sitten und Gebräuche unbekannt sind.
Aber zu einem sehr großen Teil ist dieser Schock auch darauf zurück zu führen: Sie können plötzlich nicht mehr lesen! Von einem Moment auf den anderen (meist, sobald man den Flughafen verlässt) wird man zum Analphabeten!
Selten macht man sich bewusst, wieviel Informationen über die Schrift aufgenommen werden. Und solange man sich im westlichen Ausland befindet ist zumindest alles in römischen Buchstaben geschrieben, was einem als Touristen eine gewisse psychologische Sicherheit vorgaukelt. Aber in Japan wird Touristen selbst dieses eingebildete Verständnis genommen, weil die allerwenigsten auch nur die elementärsten Silbenschriftzeichen zu lesen vermögen, geschweige denn die komplizierten chinesischen Symbolschriftzeichen.
Viele Leuten machen sich das nicht wirklich bewusst und reagieren sehr unterschiedlich auf ihr eigenes Unverständnis. Einigen ist es (ein wenig) unangenehm, ohne dass sie wissen warum, anderen wird sogar etwas unwohl. Manchmal steigert sich das bis zur Übelkeit. Oft kann man beobachten, wie dieses Unbehagen in die Ablehnung der direkten Umgebung, sprich Japans, umschlägt: Nichts kann mehr schön und gut sein, die Japaner gehen einem nur noch auf die Nerven, und man will so schnell wie möglich wieder zurück ins eigene Land! (Und es sind nicht nur Deutsche, die so reagieren.)
Und dann gibt es solche, die alles einfach toll finden! Nichts kann den Enthusiasmus dieser Leute stoppen, denn ihr mangelndes Verständnis machen sie mit Begeisterung wett. Kein Hinweisschild kann zu unverständlich sein, kein Fußweg zu weit, keine Nudelsuppe zu fettig, kein Mückenstich zu sehr jucken. Denn das macht doch die Exotik des Landes der aufgehenden Sonne aus! (Und schließlich handelt es sich um eine japanische Mücke!)
Ich spreche hier auch aus eigener Erfahrung, denn als ich das erste Mal in Japan war, schwebte ich trotz japanischer Vorkenntnisse für zwei Monate drei Zentimeter über dem Erdboden. Endlich war ich im Land meiner Träume angelangt. Jeder peinliche Fehler wurde zur wertvollen Erfahrung hochstilisiert, zum Initiationsritus in die heiligen Gefilde der geheimnisvollen, japanischen Kultur.
Erst nachdem ich länger in Japan lebte, brach sich mit zunehmendem Verständnis meiner Umgebung die Erkenntnis in mir Bahn, wie banal doch eigentlich vieles war. Wo vorher ästhetisch verschlungene Schriftzeichen unbekannte Welten und Genüsse verhießen, eröffnet sich nun auf den ersten Blick ein Tante Emma Laden, ein Zahnarzt, ein Handy-Shop oder gar ein Metzger. Alices Wunderland verwandelt sich in den tristen Nachbarkiez.
Und wieder schlägt bei manchen in Japan lebenden Ausländern dieser Einbruch in die Realität in Ärger oder gar Feindschaft um. Wieder können einem die „dummen Japsen“ nichts recht machen, sind sie doch zu westlich geworden, zu normal.
Aber eigentlich kann ein wirkliches Verständnis des Landes, der Menschen und ihrer Kultur erst hier beginnen: Nachdem man von der Banalität des täglichen Lebens eingeholt wurde und merkt, dass es trotzdem seine Reize hat. Vielleicht andere als zu Beginn, aber darum nicht weniger attraktiv und bezaubernd.Erst hier kann man feststellen, wie entspannt und gemütlich, ja, fast schon beiläufig mit Ideen und Konzepten umgegangen wird, die einem vorher reine Magie bedeuteten.
Die „kosmische Lebensenergie“ namens „Ki“ ist eines davon. In unzähligen Ausdrücken und Idiomen wird das Wörtchen so häufig benutzt, dass einem beim Reden vor lauter Energie die Haare zu Berg stehen müssten. So normal, so inflationär wird Ki benutzt, dass alle Japaner sich seiner Bedeutung absolut sicher sind ..., bis sie nach der Bedeutung gefragt werden.
Darum sollte man vielleicht auch im Aikidō nicht darauf abzielen, zu Harry Potter oder Luke Skywalker zu mutieren, sondern erst einmal in die banale Realität zurückfinden. Denn die wahren Reize des Aikidō beginnt man erst zu erkennen, wenn man mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Tatsachen bleibt und trainiert und trainiert bis man über sich hinaus wächst und mit beiden Händen den Himmel erreicht.
(Autor: Max Seinsch)
In den traditionellen Künsten Japans ist oft die Rede von „migaku“, polieren. So soll man z.B. seine Technik polieren (verfeinern), seinen Körper polieren (stählen), seinen Geist polieren (klären und reinigen), etc.
Keiko (Training) ist dabei die zentrale Methode, unseren Körper, unsere Technik, unseren Geist, usw. zu polieren. Dabei ist im Aikidō unser Trainingspartner das Sandpapier, an dem wir uns schleifen und abreiben, bis wir glänzen wie ein Spiegel.
Im buddhistischen Hannya Shingyō, dem Herz-Sutra, heißt es: „Form ist Leere, Leere ist Form.“ Indem man im Aikidō die Form (Technik) trainiert, kultiviert man die Leere (Lehre)!
Auch heute wieder ein neuer Aufsatz im Bereich „Aikidō ist ...“.
(Autor: Max Seinsch)
Bevor ich anfing, Japanologie zu studieren, hatte ich erst drei Semester Mathematik und Informatik an der Uni Münster, weil ich noch zu Hause wohnen bleiben wollte und mich Gedankenspielchen wie das folgende beschäftigten. (Zu spät musste ich feststellen, dass das nicht unbedingt etwas mit Mathe zu tun hat. :-)
Während in der Mathematik -1 + 1 = 0 ist, sich also zwei Werte gegenseitig aufheben und im Ergebnis darauf hinauslaufen, als ob nie etwas geschehen wäre, frage ich mich, ob das gleiche auch in der Realität (in der Physik?) wirklich gilt.
Erstens wird es seltenst passieren, dass sich zwei entgegengesetzte Werte exakt neutralisieren. D.h. in der Realität wird es nie exakt -1 und +1, sondern bestenfalls Werte von -0,9999 und +1,0001 geben. Das Ergebnis wäre also nie exakt 0.
Zweitens, und viel wichtiger, beeinflusst das bloße Vorkommen einer solchen gegenseitigen Neutralisierung von -1 und +1 die Realität in ihrer näheren und weiteren Umgebung. Dass - 1 + 1 als Geschehnis vorkommt, müsste doch eigentlich Wellen hinterlassen, die auf ihre Umwelt bzw. die umgebende Realität Einfluss ausüben und Veränderungen hervorrufen. D.h. die Realität nach dem Geschehnis müsste anders sein, als wenn - 1 + 1 nie passiert wäre. 0 vor - 1 + 1 wäre also anders als 0 nach - 1 + 1.
Das aber würde bedeuten, dass der absolute Nullzustand nie wieder erreicht werden kann, bzw. dass das absolute Nichts nach der gegenseitigen Neutralisierung von Materie und Antimaterie anders, verändert sein müsste von dem Nichts, aus dem die jetzige Realität entsprang.
Natürlich hat das mit Aikidō direkt nichts zu tun. Dafür gibt es im Bereich "Aikidō ist ..." vier neue Artikel. Viel Spaß beim Lesen!
(Autor: Max Seinsch)
Herzlich Willkommen zu meiner Homepage und meinem allerersten Blogeintrag!
Weil ich einerseits Aikidō mit Leib und Seele liebe, aber andererseits den sogenannten metaphysischen Aspekten dieser japanischen Kampfkunst, die fast schon esoterischen Mythen gleichkommen, durchaus kritisch gegenüber stehe, möchte ich hier meine persönliche Meinung zu diesen Aspekten zur Diskussion stellen. Für Diskussionsbeiträge und (konstruktive) Kritik wäre ich äußerst dankbar.
Und damit erkläre ich die Jagdsaison für eröffnet! ;-)